Geschichtliches
Abbildung des wohl ersten Bratschers der
Menschheitsgeschichte
Warum
dieses wohl der erste Bratscher gewesen sein muss, haben wissenschaftliche
Untersuchungen jetzt bewiesen. Der Gletscher, in dem der sogenannte Ötzi
gefunden wurde war ja schließlich schneller als er. Inzwischen wird zwar auch
behauptet, das Ötzi kein Bratscher gewesen sein kann, weil in seinem Schädel
Spuren von Hirn gefunden wurden, aber warum sollte ein Bratscher den überhaupt
kein Hirn haben, ein gewissen ,wenn auch vielleicht geringen Anteil wird man
Ihm doch wohl zusprechen müssen.
Johann Joachim Quantz schreibt im Jahre 1752 über die
Bratsche
„Die Bratsche wird in
der Musik mehrentheils für etwas geringeres angesehen. Die Ursache mag wohl diese
seyn, weil dieselbe öfters von solchen Personen gespielt wird, die entweder
noch Anfänger in der Musik sind; oder sie keine sonderlichen Gaben haben, sich
auf der Violine hervor zu thun; oder auch weil dieses Instrument seinem Spieler
allzuwenig Vortheil bringt: weswegen geschickte Leute sich nicht gern dazu
brauchen lassen.“
Johann Friedrich Reichardt 1776 über ein bürgerliches
Liebhaberkonzert
„ Die wenigen
geschickten Männer (...) können das Ganze nicht vollkommen machen; da dieses
nur durch die Gleichheit aller einzelnen Theile geschehen kann. Außer seinem
Solo oder Concert ist der Virtuose so gar verpflichtet, der Gleichheit wegen
seine besondere Geschicklichkeit zu verbergen und er gilt alsdann nichts mehr
als der unterste gelten sollte, dem man gemeinhin nur ein Licht aufs Pult
steckt; ich meine den Bratschisten, von dem man fast allgemein glaubt, dass ihn
nur eben so wenig hört, als er in seinem Winkel gesehen wird.“
Hector
Berlioz im Jahre 1836 in seiner Instrumentationslehre »Trait d'instrumentation
et d'orchestration modernes«
„Die Violaspieler wurden stets aus
dem Ausschusse der Violinspieler entnommen. War ein Musiker unfähig, den
Violinposten schicklich zu bekleiden, so wurde er zur Viola versetzt. Daher kam
es, daß die Bratschisten weder Violine noch Viola spielen konnten." Ich
muß sogar gestehen, dass dieses Vorurteil gegen die Violastimme auch in unserer
Zeit nicht gänzlich verloren ist, dass es bei den besten Orchestern noch
Violaspieler gibt, die sowenig die Violine wie die Viola zu behandeln wissen.
Doch sieht man neuerdings immer mehr die Mißlichkeiten ein, die aus Duldung
solcher Leute entstehen, und so wird die Viola nach und nach wie die anderen
Instrumente nur geschickten Händen anvertraut werden.".... „Von allen
Instrumenten im Orchester ist die Viola dasjenige, dessen ausgezeichnete
Eigenschaften man am längsten verkannt hat. Sie ist ebenso
beweglich wie die Violine, ihre tiefen Saiten haben einen eigentümlich scharfen
Ton, während die Höhe eine schmerzliche Leidenschaft ausstrahlt, und ihr im
ganzen schwermütiger Charakter unterscheidet sich merklich von dem der andern
Streichinstrumente."
Johann Georg Albrechtsberger – Die Bratsche (Vienna,
1837)
Die Bratsche(Viola) ist
etwas größer, und hat den C -oder Alt-Schlüssel, nämlich auf der dritten Linie,
vorgezeichnet. Sie wird, wenn sie kein Solo oder Concert zu spielen hat bey
Violinen als Mittelstimme gebraucht; ohne dieses kann sie auch die obere Stimme
machen. In alten Sätzen findet man auch für die Viola seconda den Tenor-
Schlüssel; ihre Saiten aber, wovon die zwey tiefsten übersponnen sind, heißen
allezeit, wie jetzt, hinauf cgda. Sie wird also auch durch drey reine Quinten
gestimmt, jedoch um eine Quinte tiefer als die Violine. Es versteht sich von
selbst, daß, so wie bey den übrigen Streichinstrumenten, auch alle Halbtöne
gegriffen werden können.
Von unseren Vorfahren
wurde die Viola im Orchester ungebührlich vernachlässigt; man setzte meistens
nur dreistimmig, und lies sie ganz bequem mit dem Basse all`unisono fortlaufen.
Neuere Meister haben dieses äußerst wirksame Instrument, welches unter allen
mit dem Bogen Gestrichenen, den wahren medium terminum bildet, und wodurch erst
eigentlich das reine Quadricinium vollständig hergestellt wird, wieder zu
verdienten Ehren gebracht, und als selbstständig geführte Stimme zu herrlichen
Zwecken benützt. Ein Übelstand herrscht indessen fortwährend noch, daß man
selbes, fußend auf dessen stärkeren Ton, in den meißten Orchestern zu schwach
besetzt, und gegenüber von einem Dutzend Geigen mit ein paar dürftigen
Bratschen, die vielleicht obendrein nicht in geübtesten Händen sich befinden,
sattsam auszuweichen wähnt. Solches bleibt aber5 stets eine irrige Folgerung;
vielmehr gehört, zur Herstellung einer richtigen Proportion, auf eine bestimmte
Anzahl von Violinen immer die gleiche Hälfte der Violen; z.B. 6 erste, 6 zweite
Geigen und 6 Bratschen. Man wende ja nicht ein, dass dadurch eine bloße
Mittelstimme über die Gebühr bevorrechtet und die übrigen vielleicht sogar
beeinträchtigt werden würden. Wer sein Instrument zunftgerecht zu behandeln
gelernt, weiß auch, wo es Noth thut, zu mäßigen, und, wann er ausdrücklich
gehört werden soll, hat es der Componist ohnedem durch die üblichen Signaturen
angedeutet. Weiteres treten dieViolinen, schon bezüglich der höheren Lage, und
zudem, meißt noch den Melodischen Gesang führend, jederzeit vernehmbar heraus,
und es unterliegt schlechterdings keinem Zweifel, daß, gleichwie in einem
Bogenquartett, auch den vollstimmigen Musiken das stufenartige Ebenmaß aller
Saiteninstrumente sorgfältig berücksichtigt und abgewogen werden müsste.
Bruni, Cupis, Garaudé,
Gebauer und Woldemar haben Lehrbücher herausgegeben.
Richard Wagner im Mai 1872
„Vor mir war die Viola im
Orchester immer nur das Aschenbrödel, während die anderen Instrumente
aufgeputzt einherstolzieren. Das muß anders werden. Sie , meine Herren, sollten
es mir danken, denn ich habe die Bratschisten erst zu Menschen gemacht!“
Albert Bachrich, der bei dieser
legendären Probe am Bratschenpult saß, fügt hinzu: „Im Tristan müssen dem
Meister die Violaspieler schon als Übermenschen vorgeschwebt sein!“
“Das stillvergnügte Streichquartett”
von Bruno Aulich und Ernst Heimeran
“Die Bratsche ist eigentlich gar
keine Bratsche! Es ist ein Geiger mit bitteren Erfahrungen. Auch er saß einst
am Geigenpult - aber nicht lange. Der einmütige Protest der Zuhörer hat ihn
vertrieben. Er spielte so hoch er konnte; es war nicht hoch genug. Seine Läufe
mochten noch so schnell sein, es gelang ihm nicht, über das Fehlen der
vorgeschriebenen Notenzahl hinwegzutäuschen. Das Dienstmädchen des Hauses war
ständig damit beschäftigt, fallengelassene Noten unter seinem Stuhle
aufzulesen. Es ging nicht mehr. Da faßte er den Entschluß und rückte um einen
Stuhl weiter zur Bratsche. Dort wirkt er in Frieden. Mögen die da oben sich
noch so unziemlich gebärden, er sagt sein stilles, ernstes, ein bißchen
wehmütiges Wort dazu. Und wenn er es nicht sagt, wo er es eigentlich sagen
sollte, so ist das auch nicht schlimm. Die Zuhörer merken es doch nicht und die
Mitspieler drücken ein Ohr zu. Sie behandeln ihn mit jener taktvollen
Diskretion, die man einem heruntergekommenen Standesgenossen gegenüber
anwendet. Er ist eine heroisch-tragische Natur.”
“Die Literatur! Sie ist des
Bratschisten große Leidenschaft. Er möchte möglichst alles spielen und gespielt
haben. Er behauptet, Hausquartette seien nicht dazu da, das zu machen, was
ohnehin überall zu hören ist, sondern sich mit Mut und Begeisterung jener Werke
anzunehmen, die entweder bereits vergessen oder noch gar nicht bekannt sind. Er
schleppt jedesmal einen ganzen Stoß neuer Noten herbei, und man betrachtet
nicht uninteressiert, was er wieder aufgestöbert hat. Meist ist ein Boccherini
dabei; diese sammelt er auf Vollständigkeit (54 Streichtrios, 91
Streichquartette, 125 Streichquintette!).
Dann geht es ziemlich unvermittelt
in die Moderne; er schwärmt natürlich für Hindemith, schon weil er in ihm den
ausübenden Bratschisten verehrt, was man seinen Kompositionen auch anmerke. Sie
seien ausgesprochen bratschistisch empfunden.
“Größenwahn” sagt der Primarius
häßlich. “Ist ja alles gar nicht zu machen. Behauptest Du vielleicht, daß Du
das spielen kannst?” - Und er hält unserm Bratschisten die Stimme unter
die Nase.
Das ist natürlich ein wunder
Punkt. Wenn unser Bratschist zwar auch kein heruntergekommener Geiger, sondern
ein Edelbratschist ist, einer, der sein Instrument bejaht, nicht weil es
leichter, sondern weil er in seinen Klang und seine Art verliebt ist, so
geraten seine raffinierten Neigungen doch oft in Widerspruch zu seiner Technik.
Er beschließt dann heimlich, einmal acht Tage lang zu üben [... so daß seine
Quartettgenossen] sprachlos sind; aber leider ist es noch nicht so weit und
vorerst muß er klein beigeben.
“Anfang und Ende des Stimmens ist
nicht ein gemeinsamer Radau, sondern das schlichte, einsame a. Wer das richtige
hat, ist allerdings eine Preisfrage. Das höchste a haben immer die Geigen. Bratsche
und Cello legen dagegen Wert auf ein tiefes a. Der Bratschist hat eigentlich
überhaupt kein a, weil er nie übt. Aus der Stimmung seiner Saiten kann man
lediglich abnehmen, wie sich in den letzten Tagen das Wetter verhalten hat. War
es heiß, dehnten sich die Saiten und klingen tief; war es kalt, zogen sie sich
zusammen und klingen hoch. Man muß froh sein, wenn der Bratschist überhaupt
eine a-Saite hat; denn bisweilen ist sie geplatzt oder doch so faserig, daß man
sie erst mit einer Schere mühselig glattstutzen muß. Hoffentlich hält sie
noch.”
!!!
Neu !!!
Über
Bratschen
Ein Auszug aus Fellinis "Orchesterprobe" (Prova
d'Orchestra)
Die Bratsche? Ja, das ist auch ein
Streichinstrument. Aber wenn es im Orchester eine dumpfe, unpersönliche,
farblose Zone gibt, wo sich ein Instrument ohne Charakter, ohne Persönlichkeit
offenbart, dann - es tut mir leid, dass ich das so brutal heraussage - ist es
die Grauzone der Bratschen. Sie bilden sozusagen den Puffer zwischen Geige und
Cello, ohne eine eigene Rolle zu spielen, sie leiden an einer Identitätskrise.
Wenn man die Bratscher richtig ansieht, erkennt man sie sofort, verwaschene
Gesichter, an die man sich ohne weitere Merkmale nicht erinnert. Im Orchester
stiften sie Verwirrung und Unsicherheit.
Die Bratschen haben den Zweck, die dunklen Tone
des Cellos aufzuhellen und die der Geige zu verdunkeln. Es ist die Funktion
eines Hilfs-Schiedsrichters, das nimmt ihnen jedes Verantwortungsgefühl.
Und was passiert, wenn man sich nicht verantwortlich fühlt? Man verblödet! Man
wird zum Schmarotzer. Die Bratschen sind schlimmer als die Grippe, weil im
Orchester Fehler, verspätete Einsatze, Mißtöne ansteckend wirken. Sie breiten
sich rasch epidemisch aus, und schließlich patzen alle, der Reihe nach.
Der WDR in einer Programmvorschau für
Neue Musik vom 14.1. –20.1.2002
>Sie
ist ebenso beweglich wie die Violine, ihre tiefen Saiten haben einen
eigentümlich scharfen Ton, während die Höhe eine schmerzliche Leidenschaft
ausstrahlt, und ihr im ganzen schwermütiger Charakter unterscheidet sich
merklich von dem der andern Streichinstrumente. Wie kein anderes Instrument scheint die
Bratsche das Instrument der "letzten Worte" zu sein, Worte des
Abschieds (Brahms, der nach seinem op.119 beschlossen hatte nicht mehr zu
komponieren); Musik aus dem (Schein)-Nachlass (Kagel); unvollendete Werke, über
denen der Autor verstarb (Bartók) und die letzten Tränen über einen Verlust
(Britten und Kantscheli, dessen Werk im Studio Neue Musik am 20.01.vollständig
erklingt).
>Diademe helfen den
dunklen Schönheiten zu strahlen und zu funkeln. Diamanten bündeln das Licht und
werfen es spektral auf den Betrachter zurück. Das gibt es auch in der Musik:
Die Bratsche ist die sinistre Königin und was ihr zum leuchten verhilft, ist
ein Ensemble und modulierende Live-Elektronik.
>Zur Bratsche gehört,
wie wohl zu jedem charakteristischen Instrument, ein symbolischer Gehalt, der
sich durch jahrhundertealten Gebrauch herausgemendelt hat. Für die Bratsche ist
dies (keine der handelsüblichen Witze greift diese Seite auf) der klagende, der
trauernde Ton. Kantschelis Titel spricht für sich (das Stück wird als Atlas
der Moderne in den MusikPassagen am 15.01. vorgestellt), nicht weniger als
die Assonanz von Riehms Titel, Symbol für Verlassenheit schlechthin.